Ein Crash, nur Verlierer

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Ein Crash, nur Verlierer

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18.06.2023 - Welche Auswirkungen hat die Kollision von Guyot und 11th Hour Racing für das gesamte Ocean Race, jetzt und in Zukunft?

© Kerstin Zillmer, floatmagazin.de

Alles war perfekt. Die Teams wieder komplett, Guyot bereit für das letzte Leg, 11th Hour mit einem Hattrick auf Platz 1. Jetzt konnten sich alle auf das große Finale in Genua konzentrieren. Auf den letzten Wettkampf, die große Spannung, die Freude der Teams nach den strapaziösen Monaten, die Begeisterung der Fans im Zielhafen.

Doch faktisch scheint das Ocean Race nach dem Startdrama von Den Haag schon beendet. Mit einem Wimpernschlag crashte der Traum. Die schwere Kollision, die das Guyot Environnement – Team Europe 17 Minuten nach dem Etappenstart mit dem 11th Hour Racing Team verursachte, nahm beide Yachten aus dem Rennen.

Das 11th Hour Racing Team hat zunächst mitgeteilt, die Yacht reparieren und ins Rennen zurückkehren zu wollen. Die Arbeiten an der Yacht begannen sofort. Doch jetzt hat sich auch das US-Team von der Etappe zurückgezogen und beschreitet den Weg über die Jury. Doch welche Entscheidungen sind möglich und welche Konsequenzen lassen sich aus dem ersten Einsatz der Imocas bei The Ocean Race ziehen? Eine erste Analyse.

Das Rennen ist bereits jetzt entschieden
Nach der Rückkehr in den Hafen hat das Guyot Environnement – Team Europe sofort die volle Schuld auf sich genommen und die Aufgabe der Etappe verkündet. Auch wenn der Schaden sicher reparabel wäre, wird die Yacht nicht mehr nach Genua segeln. Schon die letzte Reparatur war nur mit großen Herausforderungen zu leisten. Nun kommt noch die moralische Last hinzu, die für das Team nicht tragbar ist. Die Aufgabe ist unabwendbar.

Das 11th Hour Racing Team, dass auf Platz eins der Gesamtwertung liegt, arbeitet trotz Aufgabe der Etappe intensiv am Boot. Es will dem Imoca-Feld so bald wie möglich hinterhersegeln, um in Genua in den Zielhafen einzulaufen. Doch über den Sieg muss nun die Jury entscheiden.

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Schnelle Reparaturen, um möglichst bald wieder zu starten © Alexander Champy-McLean / The Ocean Race

Auch auf die Platzierung des Teams Malizia hat es Auswirkungen, wenn nur drei oder vier Schiffe im Rennen sind. Auch fünf Punkte für einen eventuellen Etappensieg würden das Team nicht auf Platz zwei der Gesamtwertung bringen. Die vier Punkte Abstand zum Team Holcim sind nicht mehr aufzuholen, da das Schweizer Team bei Ankunft in Genua durch den Ausfall von 11th Hour und Guyot schon drei Punkte sicher hat. Und der vierte Platz von Team Biotherm stand ohnehin schon fest.

Die mögliche Jury-Entscheidung
Die Wegerechtssituation war bei dem Crash eindeutig. 11th Hour Racing hatte auf der Lay Line zur vierten Bahnmarke gewendet und segelte bereits rund eine halbe Minute auf Kurs mit Wind von Steuerbord. Wie das US-amerikanische Team berichtete, hatte es das Guyot Environnement – Team Europe, das mit Wind von Backbord segelte, lautstark auf das Vorfahrtsrecht aufmerksam gemacht. Als es keine Reaktion gab, versuchte Charlie Enright noch ein Ausweichmanöver.

Benjamin Dutreux sah die Konkurrenten zu spät, sein Abfallen verhinderte den Crash nicht mehr. Diskussionen über die Schuldfrage gab es nicht. Mit der Aufgabe der Etappe ist eine Bestrafung für Guyot Environnement – Team Europe hinfällig.

11th Hour Racing hat nun einen Antrag auf Wiedergutmachung gestellt. Sollte die Jury dem stattgeben und eine Punktgutschrift aussprechen, würde 11th Hour Racing das Ocean Race gewinnen. Im Maximalfall würde die Durchschnittspunktzahl aus den bisherigen acht Wertungen anerkannt. Das US-Team bekäme damit 4,125 Punkte auf das Konto und wäre uneinholbar.

Sind die Imocas die richtigen Boote für das Ocean Race?
Nicht nur nach dem Crash stellt sich die Frage, ob The Ocean Race mit der Wahl der Imocas als Klasse für das Weltrennen die richtige Entscheidung getroffen hat. Die Imoca-Premiere zu The Ocean Race brachte nur fünf Teams an den Start des Weltrennens und ist damit die kleinste Flotte jemals bei einem Ocean Race seit der ersten Auflage vor 50 Jahren. Die Hoffnungen, die in die Einführung der Klasse gesetzt wurden, haben sich damit zunächst nicht erfüllt.

Doch sind die Imocas damit bereits gescheitert? Wohl kaum. Das Potenzial der Imoca-Klasse ist riesig. Die Starterzahlen bei der Vendée Globe oder Route du Rhum zeigen es. Aber die französisch geprägte Klasse hat eben den Fokus vor allem auf den eigenen Rennen und nicht so sehr auf dem Ocean Race. Erst wenn es gelingt, mit dem Mannschaftsrennen um den Globus in der französischen Szene Fuß zu fassen, wird das Ocean Race wirklich Erfolg haben.

Die Media-Werte in Frankreich blieben zwar bisher hinter den Erwartungen zurück, doch die Begeisterung unter den Seglern scheint gewachsen. Abgesehen von 11th Hour Racing setzten von Beginn an alle Teams auf das Imoca-Know-how aus Frankreich. Und auch die US-Amerikaner und Team Malizia bezogen im Laufe des Rennens weitere Segel-Superstars aus Frankreich mit ein. Die Einsätze von Charlie Dalin und Franck Cammas dürften weiteres Feuer entfachen. Die Hoffnung wächst also, dass bereits zum The Ocean Race Europe in zwei Jahren die Flotte wachsen wird.

Ein neues Bild des Ocean Races
Gerade zum Beginn des Rennens gab es Kritik an der Art, wie jetzt bei The Ocean Race gesegelt wird: Auto-Pilot statt Männer und Frauen am Ruder, Arbeit unterm Dach statt sprudelnde Gischt an Bord. Aber die Fangemeinde hat sich eingefunden in die andere Art von Bildern. Die Videosequenzen und Fotos der Imocas auf den Foils sorgten für Begeisterung. Die Jagd nach neuen Rekordmarken, inklusive der 24-Stunden-Weltrekorde für Monohulls vom Team Malizia, spielten The Ocean Race in die Karten.

Das Rennen litt jedoch intensiv unter der Anfälligkeit der Boote. Kein Team kam ohne erhebliche Schäden an Segel, Rigg, Foils oder Mast davon. Zwei Mastbrüche (von Holcim und Guyot) unter den fünf Teams, das nur mühevoll gesicherte Rigg bei Biotherm und der Mastschaden bei Malizia sind eindeutig zu viel. Solange diese mit Bordmitteln repariert werden können, mag man sie als Teil des Rennens ansehen, aber bei so wenigen Teams ist das riskant.

Doch The Ocean Race 2023 war nicht nur ein Test der Imoca-Klasse für die gesteigerte Beanspruchung beim Segeln in Crewstärke, es fiel auch in eine Entwicklungsphase, in der die Boote einen erheblichen Sprung in der Entwicklung gemacht haben. Das Guyot Environnement – Team Europe war dabei mit einem acht Jahre alten Boot im Vergleich mit den zwei jüngeren Generationen weitgehend chancenlos. Selbst für Biotherm war die Weiterentwicklung innerhalb des vergangenen Jahres nicht aufzuholen, wie das aktuelle Rennen zeigt.

Wie kann das Ocean Race weitergehen?
Die Imocas bieten für das Rennen eine Menge Potenzial. Geschwindigkeitsrekorde und spektakuläre Foil-Aktionen verleihen den langen Atlantik-Etappen zusätzliche Spannung. Die Zielankünfte bieten mehr Spannung, als viele von dem kleinen Feld und den Booten mit großen Designunterschieden erwartet hatten. Die Aktion unter Deck ist gewöhnungsbedürftig, aber das geschlossene Cockpit zeigte auch seine Vorteile. Trotz der Mastbrüche gab es an Bord keine schwereren Verletzungen. Die Sicherheit der Segler hat mit den Imocas gewonnen – trotz harter Einschläge in die Wellen.

Die Inport-Rennen müssen allerdings neu überdacht werden. Entweder waren diese Rennen gefährlich, wie in Kapstadt oder wie auf dramatische Weise gerade in Den Haag, oder sie boten nur wenig Spannung durch Positionsverschiebungen in der Flotte. Genua erwartet jetzt eine gerupfte Imoca-Flotte zum großen 

Finale mit nur drei Booten. Dass die VO65 mit fünf Yachten im Rahmen ihres Sprint Cups nach Italien segeln, mag zumindest entschädigen. Aber den spannenderen Höchstleistungs-Ritt auf Messers Schneide liefern die Imocas – mit allen Konsequenzen.

Bild ganz oben: Bei bester Sicht rauschte Guyot in die Yacht vom 11th Hour Team © Sailing energy / The Ocean Race

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