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Neustart in letzter Minute

Werft52 Gasser
Marcel Gasser (l.) und André Vrecer, Inhaber Werft 52. Grundverschiedene Typen und doch passen sie zusammen. Bild: Desirée Müller

BN/Kreuzlinger Nachrichten - 09.07.2025 Von Desirée Müller


Werftvermieter Bernhard Seger war zuerst nicht begeistert von dem Plan - stimmte schlussendlich aber zu. Die Bootswerft von Marcel Gasser stand kurz vor dem Aus – finanzielle Engpässe und Mietrückstände zwangen ihn beinahe zur Aufgabe. Doch in letzter Minute übernahm die Werft 52 AG aus Romanshorn den Standort.

Am Briefkasten prangt schon das neue Schild: «Werft 52 AG». An der Halle selbst hängt noch der alte Schriftzug «Bootswerft Marcel Gasser». Auf dem Gelände stehen zwei Männer, sinnbildlich für diesen Übergang: Marcel Gasser, das verwaschene Shirt mit seinem alten Logo, leicht ölverschmiert, gezeichnet vom Handwerk. Daneben André Vrecer, Geschäftsführer der Werft 52 AG, im sauberen Poloshirt mit gesticktem Logo, klarer Haltung, offenem Blick. Zwei Welten – und doch: kein Gegeneinander, sondern ein gemeinsamer Neustart.

«Ich hätte beinahe alles verloren», sagt Marcel Gasser. Seine Stimme ist ruhig, aber man hört, was diese Wochen mit ihm gemacht haben. «Ich bin Bootsbauer, kein Buchhalter. Ich hab gearbeitet, gebaut, alles reingegeben, aber wirtschaftlich ist es mir entglitten.» Gassers wirtschaftliche Probleme wuchsen, die Aussichten schwanden. Als ein Brief an die Kundschaft ging mit der Ankündigung einer möglichen Schliessung, war die Not offensichtlich. Der Brief erreichte auch die Werft 52 AG in Romanshorn.

Für Geschäftsführer André Vrecer war schnell klar: Das ist nicht nur ein Hilferuf, sondern eine echte Chance. «Wir sind im Motorbootbereich stark, aber wollten schon lange den Bereich Segelboote ausbauen», sagt Vrecer. «Wir haben seit Jahren nach einem geeigneten Standort und erfahrenen Leuten gesucht. Als der Brief kam, wussten wir: Das könnte passen.»

Vermieter wollte keinen Kontakt
Dass Marcel Gasser als Fachmann im Team bleibt, war für die Werft 52 von Anfang an ein zentraler Punkt. «Er hat eine enge Kundenbindung, kennt den See, die Boote, die Menschen und er ist ein Meister seines Handwerks», sagt Vrecer. «So jemanden lässt man nicht einfach ziehen.» Also wurde rasch ein Konzept ausgearbeitet: Der Standort Kreuzlingen sollte erhalten bleiben, Gasser weiterhin mit an Bord sein – eingebettet in eine neue, stabile Struktur. Doch der erste Versuch, das Konzept dem Vermieter und früherem Werftbesitzer Bernhard Seger vorzustellen, scheiterte. Das Vertrauen war angeknackst.

Seger war durch die Mietrückstände der vergangenen Monate vorsichtig geworden und wollte zunächst gar nicht mehr über eine Weiterführung sprechen. Hinzu kam: Seger hatte ursprünglich wohl andere Pläne mit dem Gelände, vielleicht sogar eigene Vorstellungen für eine neue Nutzung. Doch nichts davon liess sich konkret umsetzen. Ein Verkauf stand nie zur Diskussion, und auch eine Aufsplittung der Hallen oder eine Mehrfachvermietung hätte wenig Sinn ergeben. Zu unpraktisch die räumliche Struktur, zu konfliktanfällig der Betrieb nebeneinander, erklärt André Vrecer.

Mischung aus Burnout und Erleichterung
«Es war eine Zeit voller Fragezeichen», sagt Vrecer. «Aber irgendwann hat sich das Blatt gewendet.» Seger stimmte einem Treffen zu. Der Wendepunkt kam im allerletzten Moment: Einen Tag vor dem geplanten Betriebsende wurde der Vertrag unterzeichnet und der Fortbestand gesichert. Doch informieren wollten sie Marcel Gasser erst, wenn alles wirklich sicher ist. «Wir wollten Marcel erst ins Boot holen, wenn wir grünes Licht haben», sagt Vrecer. «Es bringt nichts, Hoffnungen zu wecken, wenn am Ende doch alles platzt. Diese Situation war schon belastend genug.» Und diese schwand bei Gasser von Tag zu Tag. «Ich kann nicht beschreiben, was gerade in meinem Kopf passiert», sagt dieser mit versunkenem Blick. Eine Mischung aus Burnout und Erleichterung, beschreibt er das Gefühl. Die nächsten vier Wochen wird er mit seiner Familie im Wallis verbringen. Einfach abschalten, begreifen was gerade passiert.

Die erste Zeit hat er «Büro-Verbot». «Ich kann mich auf die Arbeit konzentrieren. Einfach nur 'chrampfe'.» Das tun, was er liebt und kann. «Langsam werden wir schauen, wie wir Marcel in seiner Position als Betriebsleiter einbinden können», so Vrecer. Es wurden zu Beginn klare Richtlinien und Grenzen gesetzt. Die Hauptverwaltung läuft über den Standort in Romanshorn. Kompetenzen über Investitionen wird Gasser nicht mehr haben. Und dies scheint ihn sichtlich zu erleichtern. Nicht mehr Herr über die Zahlen zu sein, keine alleinigen Entscheidungen zu treffen und für das ganze Personal verantwortlich zu sein, sei absolut ok für ihn. Viel mehr sogar. Vrecer lacht. Den Satz: «Das musst du den Chef fragen», hört der neue Inhaber in der Dauerschleife. Verantwortung abzugeben ist Balsam für Gassers Seele. Doch er sei kein soziales Projekt, Gasser werde gebraucht. Die Zeit gebe man ihm, um einen mentalen Neustart zu machen.

Winterplatz wird teurer
Für die Kunden war es ein langes Bangen. Die umliegenden Werften haben kaum Kapazität für das Winterlager. Es wurde geredet, spekuliert und das viel und von allen Seiten. Auch nach der Ankündigung, dass die Werft bestehen bleibt, hält die Kundschaft nicht ab, sich an Gasser und neu an Vrecer zu wenden. Ist der Winterplatz gesichert? Was wird sich ändern? Steigen die Preise? Soweit werde die Strategie übernommen. Die bisherigen Kunden haben ihren Winterplatz gesichert, sofern sie sich jetzt anmelden. Die Quadratmeterpreise steigen jedoch. Auch die Stundenpreise für Arbeiten am Boot. «Marcel war viel zu günstig. Eine Analyse zeigt, dass die Mitstreiter um einiges teurer sind.» Dass dies die Kunden nicht freut, ist Vrecer klar. Doch: «Anders können wir nicht wirtschaften.»

25.07.2025/BN - Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

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